BLICK ZURÜCK Theater AG der Edertalschule besteht seit 50 Jahren
Beim diesjährigen Jubiläumsfest „100 Jahre Edertalschule“ wäre ein weiterer Gedenkanlass fast ein wenig untergegangen, hätte es nicht eine gemeinsame Fest-Revue mit allen musischen Ensembles (HNA berichtete) und dazu ein besonderes Programmheft mit Rückblicken und Erinnerungen gegeben. So wurde sichtbar: Die Theater-AG des Frankenberger Gymnasiums, mit großer theaterpädagogischer Kontinuität geführt, in der regionalen Kulturszene und auf zahlreichen Theaterwochen in Korbach vertreten, besteht seit 50 Jahren. Natürlich hat das Theaterspiel an der Edertalschule seit seiner Gründung schon eine längere Tradition als „Laienspiel“ und einzelnen, nachgespielten Stücken wie Kotzebues „Die deutschen Kleinstädter“, aufgeführt in den 1960er-Jahren, damals noch auf der Bühne des Hotels Lengemann. Die Tradition regelmäßiger Aufführungen aber wurde 1972 von Werner Bistritz begründet mit Stücken wie „Was ihr wollt“ von William Shakespeare oder „August, August“ von Pavel Kohout und fortgeführt von Manfred Berger ab 1982 mit „Romulus der Große“ von Friedrich Dürrenmatt oder „Besuch der alten Dame“ von Friedrich Dürrenmatt. Spätestens mit Einführung des Wahlpflichtunterrichts in den hessischen Stundentafeln und personell durch die Begleitung von Paul Möllers als Theaterpädagoge seit 1987 fand das Darstellende Spiel der Theater-AG an der Edertalschule seine große Kontinuität. Möllers, der bis zu seiner Pensionierung 2014 in 28 Jahren mehr als 30 Stücke und Performances inszeniert hatte, bekam von der Schule, wie er später sagte, immer möglichst große „Freiräume“ gewährt. Die pädagogischen Gründe: „Theater, die einzige Kunstform, die alle Künste in sich vereint, ist also schon als Kunstform ganzheitlich. Insofern ist Theater auch besonders gut geeignet, mit Schülern ganzheitliches, projektorientiertes Lernen zu praktizieren. Ich hatte die tolle Chance, in der Theater-AG meine Vorstellungen vom projektorientierten Lernen umzusetzen“, sagte Möllers der HNA bei seiner Verabschiedung. Anfänglich spielten die Schüler unter seiner Regie fertige Stücke wie „Hexenjagd“ von Arthur Miller (1987) oder „Frühlings Erwachen“ von Frank Wedekind (1990) in eigenen Adaptionen, dann begannen aber immer mehr Eigenproduktionen wie 1994 das legendäre „Kaspar-Hauser-Projekt“ mit schwebenden Käfigen zwischen den Stahlträgern des (2005 abgebrannten) Frankenberger Industriedenkmals Lokschuppen. Dabei wurden differenziert in Gruppen alle Inhalte, Perspektiven, Regie-, Bühnenbild-, Kostüm- und Technikprobleme von Beginn an selbst gelöst. Teamgeist war gefragt, jeder konnte seine Kreativität, Interessen und Talente eingebringen. Diese intensiv diskutierten Eigenproduktionen und die Suche nach originellen Spielorten, ganz losgelöst von „Schule“, die Möllers mit Lokschuppen und ehemaligem Werksgelände Stoelcker begründet hatte, führte ab 2014 Thorsten Jech als AG-Leiter gemeinsam mit seinem Co-Spielleiter Daniel Herbrich fort. Eine spektakuläre Inszenierung gelang ihnen in der ehemaligen Thonet-Werkshalle 2016 mit „Einer flog über das Kuckucksnest“. Zum Schuljubiläum 2022 mit vielen Ehemaligen als Gästen wurde sichtbar: Das Theaterspiel hat sich für viele nachhaltig prägend auf Persönlichkeitsentwicklung, Freundschaften, Berufswahl und Lebensläufe ausgewirkt. „Es vermittelt Kompetenzen, die in den großen Rucksack Bildung gehören, den die Schüler im Huckepack von der Schule in ihr Leben mitnehmen,“ sagt Thorsten Jech.
Text und Fotos: Karl-Hermann Völker
Bildunterschrift, Bild 1:
„Einer flog übers Kuckucksnest“: In der ehemaligen Werkshalle von Thonet inszenierte 2016 die Theater-AG nach Motiven von Ken Kesey diesen beklemmenden Einblick in Macht und Abhängigkeit im System einer psychiatrischen Anstalt.
Bildunterschrift, Bild 2:
Dreigroschenoper“ von Bertolt Brecht: Im Industriepark Nord, damals noch mit Dampfmaschinenmuseum, ließ die Theater-AG 2008 eine farbenprächtige Bettler- und Ganoven-Revue steigen, hier das Schlussbild.
Bildunterschrift, Bild 3:
„Kaspar Hauser Projekt“: Spielleiter Paul Möllers entwickelte 1994 mit den Technikern der Theater-AG im Industriedenkmal Frankenberger Lokschuppen ein spektakuläres Raumkonzept.
Bildunterschrift, Bild 4:
Besuch der alten Dame“ von Friedrich Dürrenmatt, hier mit Claudia Bistritz und Hans-Wolfgang Pausch in den Hauptrollen, wurde 1986 an der Edertalschule von Manfred Berger inszeniert.
Video-Mitschnitte
Einen ausführlichen Überblick über alle gespielten Stücke der Theater-AG an der Edertalschule mit einigen kompletten Video-Mitschnitte von Aufführungen bietet die Homepage der jungen Theaterleute unter thagets.de. Während der Corona Pandemie mussten öffentliche Veranstaltungen teilweise ausfallen und wurden auf diese Weise virtuell und digital vermittelt.