Das tägliche Verkehrschaos an der Edertalschule (HNA, 17.09.2018)
[...] Wer morgendliches Verkehrschaos, verursacht von „Elterntaxis“, beobachten will, kann sich zum Beispiel mal werktags kurz vor 8 Uhr vor das Frankenberger Gymnasium Edertalschule stellen. Dicht an dicht drängen sich auf der Geismarer Straße die Autos, in denen Mütter und Väter ihre Kinder – von der fünften bis zur Abiturklasse – direkt vor die Schule bringen und sie auf dem Busstreifen oder im Halteverbot rauslassen. Dazwischen wuseln überall Schüler. Eine gefährliche Situation, insbesondere bei Nebel und Dunkelheit, sagt Schulleiter Claus-Hartwig Otto. Hinzu komme, dass Fahrschulen ältere Schüler nach dem Schulunterricht zur Fahrstunde abholen. „Fahrlehrer warten dann verbotswidrig im Halteverbot oder auf dem Fußweg zur Kulturhalle auf ihre Schüler“, schildert Otto. Und dieser „Parkplatz“ werde auch zum Umsteigen benutzt: „Eltern lassen beim Abholen ihre 17-jährigen Kinder, die schon den Führerschein für begleitetes Fahren haben, auf dem Fahrersitz Platz nehmen.“
Seit 2015 beschäftigen sich Schüler mit der Verkehrssituation vor dem Gymnasium. In der Arbeitsgemeinschaft „Forscherlabor Mathematik“ haben sie unter der Leitung von MINT-Koordinator Oliver Blinn die Verkehrssituation analysiert und Vorschläge zur Verkehrsoptimierung entwickelt. Die Gruppe errang den Bundessieg bei einem Schulwettbewerb und entwickelte mehrere „Jugend forscht“-Arbeiten zu dem Thema. In einem Flyer schlagen die Schüler Routen vor, die für mehr Verkehrsfluss sorgen könnten. Doch der Appell bleibe bei vielen Eltern ungehört. Erleichterung bringt immerhin eine Lösung, die die Schule zusammen mit dem Ordnungsamt der Stadt Frankenberg umgesetzt hat: Der Hainstockweg wird morgens von 7.30 bis 8.30 Uhr zur Einbahnstraße. Dann dürfen dort Autos nur aus Richtung Geismarer Straße fahren, nicht in die Geismarer Straße einbiegen. Schulleiter Otto und Mathematiklehrer Blinn wünschen sich von der Stadt noch mehr Maßnahmen: etwa aus Parkplätzen vor der Edertalschule „reguläre“ Haltebuchen zu machen, damit Eltern nicht auf dem Kreisel, vor Ausfahrten oder in der zweiten Reihe ihre Kinder herauslassen müssen. Auch andere kleine bauliche Veränderungen wären denkbar. Doch derzeit hätten Investitionen in die Ederstraße Vorrang, bedauern sie. „Ich hoffe, dass bis dahin kein schlimmer Unfall passiert“, sagt Otto. Karlheinz Eckel vom Ordnungsamt der Stadt hält diese Gefahr für gering. Seit Jahrzehnten gebe es schon Beschwerden über die Elterntaxis, aber Unfälle seien nicht passiert. Denn wegen des dichten Verkehrs könne dort nur langsam gefahren werden. Die Einrichtung von Haltebuchten vor der Schule sind seiner Meinung nach kontraproduktiv. Sinnvoll wäre es, dass die Eltern ihre Kinder in einiger Entfernung von der Schule aussteigen ließen, etwa am Friedhofsparkplatz im Gernshäuser Weg. Die wenigen hundert Meter wolle aber kaum ein Schüler gehen. Schulleiter Otto bedauert, dass auch kaum ein Schüler mit dem Fahrrad komme. „Auf unserem Fahrradabstellplatz ist gähnende Leere."
Text und Fotos: Martina Biedenbach, HNA vom 17.09.18
Bildunterschrift:
Sorgenvolle Blicke: Schulleiter Claus-Hartwig Otto (links) und Lehrer Blinn von der Edertalschule sehen die „Elterntaxis“ sehr kritisch.
Bildunterschrift: Bild 2:
An der Edertalschule in Frankenberg: Autos halten im Halteverbot und an der Bushaltestelle. Schüler schlängeln sich zu Fuß durch das Chaos.
Das sagen Eltern
Wie uns Eltern von Schülern der Grundschule Battenberg berichten, ist für sie der frühe Schulbeginn um 7.35 Uhr Hauptgrund, die Kinder manchmal mit dem Auto zu fahren (an der Edertalschule in Frankenberg beginnt die Schule erst um 7.55 Uhr). In Frohnhausen, zum Beispiel, fährt der Schulbus nach Battenberg zur ersten Stunde bereits um 6.47 Uhr ab, in Laisa um 6.57 Uhr. Die Kinder müssen also gegen 6 Uhr aufstehen. „Die sind dann hundemüde“, sagte uns eine Mutter, die ihre Kinder an manchen Tagen deshalb erst um 6.45 Uhr weckt und um 7.15 Uhr mit dem Auto zur Schule fährt. Nicht gut finden manche Eltern auch, dass schon Sechs- und Siebenjährige in der 1. und 2. Klasse jeweils vier Mal pro Woche zur 1. Stunde Unterricht haben. Eine Mutter aus Vöhl, deren Kinder die Edertalschule besuchen, schüttelt den Kopf über Helikopter-Eltern. Kindern ab der 5. Klasse seien Busfahrten verbunden mit Fußwegen zuzumuten: „Solange kein Handicap vorhanden ist, sollten sie ihre Füße benutzen, wozu sie da sind: zum Laufen.“ (jpa/mab)
Eltern tragen Ranzen in die Klassen
Viele Eltern fahren die Kinder nicht nur bis vor die Schule, sondern begleiten sie in die Klasse und tragen ihnen den Ranzen an ihren Platz, schildert die Battenberger Grundschulleiterin Bianca Kromberg. Das Hinweisschild am Schuleingang „Ab hier schaffen wir es allein“ werde ignoriert. Mit dieser Bemutterung tue man den Kindern keinen Gefallen, sagt Kromberg. „Man muss den Kindern etwas zutrauen, ihnen die Chance geben, Dinge selbst zu tun.“ Wer denkt, das Phänomen beschränke sich auf Grundschulen, irrt. Auch an der Edertalschule bieten Eltern Kindern diesen Trage-Service – zumindest den Fünftklässlern, sagt Schulleiter Claus-Hartwig Otto. Sicherlich seien die Schultaschen schwer. Aber die Schule weise die Eltern der Fünftklässler darauf hin, dass die Kinder nur die Bücher mitbringen sollten, die an dem Tag gebraucht werden. Die Schule versuche zudem, mit Doppelstunden die Zahl der nötigen Bücher zu verringern. „Das Problem wird sich ändern, wenn die Schule, wie vom Landkreis versprochen, eines Tages eine ausreichende WLAN-Versorgung habe, sagt Otto. Dann könne man überlegen, im Unterricht Tablets einzusetzen und Schulbücher zu Hause lassen. „Aber das ist leider Zukunftsmusik