„Spannender als erwartet“ (HNA, 01.09.2018)
Schüler befragten Landtagskandidaten beim Wahlforum der Edertalschule
„Das Problem ist uns bekannt, aber wir würden gerne Ihren Lösungsansatz hören.“ So und ähnlich schlagfertig lockten Jonas Wihl und David Staudt bei einem Wahlforum der Edertalschule die Landtagskandidaten aus der Reserve. Die beiden Schüler moderierten die Podiumsdiskussion in der Frankenberger Kulturhalle, zu der Claudia Ravensburg (CDU), Stefan Schraps (FDP), Dr. Daniela Sommer (SPD) und Jürgen Frömmrich (Die Grünen) eingeladen waren. In der Diskussionsrunde thematisierten die Gymnasiasten unter anderem das Leben in ländlichen Regionen, Internet und technischen Fortschritt an Schulen sowie die Einführung einer Dienstpflicht in sozialen Bereichen nach Schulabschluss. Das Publikum, Schüler der Jahrgangsstufen zwölf und dreizehn, folgte der Diskussion konzentriert. Das Moderatoren-Team scheute sich nicht, Missstände offen anzusprechen: „Fehlendes Internet in manchen Dörfern rund um Frankenberg ist ein Ausschlusskriterium, sich hier ein Eigenheim zu bauen.“ Auch die Schüler im Publikum hatten sich gut vorbereitet und stellten viele Fragen.
Rege Beteiligung gab es vor allem bei den Themen Internet, Berufsmöglichkeiten im ländlichen Raum und Sinn des dreigliedrigen Bildungssystems. Durch die Gestaltung der Diskussion kam keine Langeweile auf. Auf längere Debatten folgten schnelle Fragerunden, bei denen die Kandidaten für ihre Antwort nur 30 Sekunden Zeit hatten. Ein Ampelsystem sorgte für etwa gleiche Redeanteile aller Diskussionsteilnehmer. Dabei stoppten einige Schüler die Zeit und hielten verschiedenfarbige Plakate hoch. Ab einer Redezeit von einer Minute und 15 Sekunden gab es die „gelbe Karte“, ab einer Minute und 30 Sekunden wurde das rote Plakat hochgehalten. „Die Idee, ein Wahlforum für Schüler zu organisieren, hatte der ehemalige Schulsprecher Marvin Ködding zusammen mit der Schülervertretung“, sagt Schulleiter Claus-Hartwig Otto. Die Schüler hätten die Kandidaten eingeladen und sich um die Organisation der Veranstaltung gekümmert. Inhaltlich haben die beiden PoWi (Politik und Wirtschaft) -Leistungskurse des Abiturjahrgangs und deren Lehrer die Diskussionsrunde vorbereitet. „Wir haben in allen PoWi-Grundkursen Fragen der Schüler gesammelt und sortiert“, berichtet Politiklehrer Marco Nezi. Dass das Wahlforum zustande gekommen sei, zeige, dass sich viele Schüler für Politik interessierten. „Wir haben hier im Publikum zwei Drittel Wahlberechtigte. Es ist wichtig, die Jungwähler zu sensibilisieren“, sagt Nezi. Bei den Schülern kam die zweieinhalbstündige Debatte gut an. „Ich bin positiv überrascht, es war spannender, als ich erwartet hätte“, sagt die 16-jährige Julia Jockel. „Es wurden alle wichtigen Themen angesprochen“, ergänzt ihre Mitschülerin Sina Gleim. Sie bedauert aber, dass die Kandidaten bei manchen Fragen wenig Zeit zum Antworten hatten.
Internet
Das Thema Internet an Schulen und im ländlichen Raum lag den Schülern besonders am Herzen. Die CDU erklärte, Schulen bräuchten keine Computerräume mehr, sondern freies
W-Lan. Die SPD befürwortete die Anschaffung eines Tablet-Fundus für Schulen, um allen Schülern die gleichen Chancen zu bieten. Die FDP sprach sich für freies W-Lan an Schulen aus und ging noch einen Schritt weiter: Google und Wikipedia sollten künftig bei Klassenarbeiten erlaubt sein. Die Schüler erwarte ein solches Arbeiten auch im Berufsleben. Die Grünen forderten eine Verbesserung des Breitbandausbaus im ländlichen Raum.
Landflucht
Arbeitsplätze und Zukunftschancen auf dem Land waren ein wichtiger Punkt der Debatte. Auch der Ärztemangel kam hierbei zur Sprache. Die CDU erklärte, es gebe die Überlegung, künftig Medizinstudienplätze ohne Numerus clausus anzubieten, wenn sich die Studenten verpflichten, auf dem Land zu arbeiten. FDP und Grüne sprachen sich dafür aus, die Infrastruktur im ländlichen Raum attraktiver zu gestalten. „Es fehlen in vielen kleinen Orten Treffpunkte, Gaststätten und Geschäfte, hier müssen wir ansetzen“, sagte Frömmrich. Die SPD legte den Fokus auf Mobilität und einen Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs.
Dienstpflicht
Auch über die mögliche Einführung einer Dienstpflicht nach der Schule im sozialen Bereich diskutierte die Runde. Dagegen war die FDP: „Wir können die Schüler nicht aufgrund eines strukturellen Problems für eine Pflegetätigkeit verpflichten.“ CDU und Grüne forderten statt Verpflichtung die Förderung von Freiwilligendiensten und waren sich einig, dass man mehr Plätze für ein Freiwilliges Soziales Jahr und Ähnliches schaffen müsse. Die SPD sprach sich für ein verpflichtendes soziales Praktikum aus, was das hessische Kultusministerium bisher abgelehnt habe. So könne jeder seine Stärken herausfinden.
Schulformen
Ein anderes Thema war die mögliche Abschaffung des dreigliedrigen Bildungssystems. Die SPD befürworte diese zum Teil und setze sich für den Erhalt von Gesamtschulen ein. Die Ganztagsschule sei wichtig, denn „Bildung darf nicht am Portemonnaie der Eltern hängen“, sagte Sommer. Die CDU bestand dagegen auf Diversität. Jeder müsse individuell gefördert werden und eine Zusammenlegung der Schulformen sei daher nicht sinnvoll. Die CDU stimmte gegen eine verpflichtende Ganztagsschule. Grüne und FDP sprachen sich für das Modell einer offenen Ganztagsschule mit Erhalt der Schulformen aus.