Die unerwünschte Wahrheit (HNA, 09.04.2019)
Theater AG probt neues Stück „Sandra K. Ein Prozess“
Kassandra war in der griechischen Sagenwelt eine tragische Figur: Nachdem Gott Apollo sie verflucht hatte, schenkte niemand mehr ihren Weissagungen Glauben, besonders dann nicht, wenn sie Unheil voraussah. Gibt es sie auch heute noch, ihre „Kassandrarufe“? Die Heldin im neuen, selbst geschriebenen Stück, das die Theater-AG der Frankenberger Edertalschule in diesem Frühjahr vorstellen will, heißt „Sandra K.“ So leuchtet es Schwarz auf Rot von den bereits gedruckten Plakaten, darunter als Untertitel „Ein Prozess“. Premiere wird am 8. Mai sein. In der Kulturhalle herrscht schon Probenatmosphäre. Die Lichttechniker stehen auf Leitern und montieren Scheinwerfer, richten Lichtkegel, wechseln Farben. Auf der von Stühlen frei geräumten Saalfläche probieren Schauspielergruppen Massenszenen. Für jeden Schritt, für jede Körperspannung in ihrer Choreografie gibt es Varianten, alles will gefunden, erarbeitet, begründet sein – für die Jugendlichen intensive Dramaturgiearbeit. Spät nachmittags, wenn der Stundenplan des Gymnasiums ihnen zusätzlich Raum gibt. Bereits im September 2018 hat die Gruppe die Entscheidung getroffen, sich mit dem Kassandra-Mythos zu beschäftigen, diesen jedoch in ihre Gegenwart zu transportieren.
„Aus Kassandra wird bei uns Sandra K., eine selbstbewusste und selbstbestimmte Frau unbestimmten Alters, die als Klimaschützerin und -aktivistin über gewisse seherische Gaben verfügt. Letztlich wird ihr genau deswegen der Prozess gemacht,“ sagt am Bühnenrand Spielleiter Thorsten Jech, der zusammen mit Daniel Herbig die Inszenierung erarbeitet. Gezeigt wird eine Gerichtsverhandlung gegen Sandra K.. Man hat sie nach ihren Aktivitäten im Hambacher Forst anonym denunziert, verhaftet und angeklagt. Die von der Staatsanwaltschaft vorgetragene Anklageschrift bleibt nebulös und unverständlich. Sandra steht stellvertretend für Menschen weltweit, die unbequem sind, und die, wie etwa Greta Thunberg, Wahrheiten aussprechen, die unerwünscht sind und denen man nicht glaubt, weil man ihnen nicht glauben will. Anklänge an Kafkas „Der Prozess“ sind von der Theater-AG bewusst gewählt. Auch Querverweise auf mutige Widerstandskämpfer wie Sophie Scholl, die als Mitglied der Studentengruppe „Weiße Rose“ mit ihrem Bruder Hans 1943 von NS-Richtern zum Tode verurteilt wurde, wird es geben. „Wir fanden die Idee, die Bühne zu einem Ort eines Gerichts mit zwölf Geschworenen zu machen, reizvoll“, erläutert Co-Spielleiter Daniel Herbrich. „Denn die öffentliche Zurschaustellung einer Angeklagten im Prozess verdichtet das Bild, das wir als Publikum vorgesetzt bekommen.“ Dabei knüpfe die Theater-AG auch bewusst wieder an die Form des chorischen Theaters an – der Bogen zur Antike wird auch hier wieder gespannt.
Karten für „Sandra K.“
Das aktuelle Stück der Theater-AG der Edertalschule „Sandra K. - Ein Prozess“ wird nach der Premiere am Mittwoch, 8. Mai, auch am Freitag, 10. Mai, Samstag, 11. Mai, und Sonntag, 12. Mai (Dernière), jeweils ab 20 Uhr in der Kulturhalle aufgeführt. Karten im Vorverkauf gibt es für 9, ermäßigt 6 Euro bei Bücher Jakobi, in der Buchhandlung Hykel sowie im Sekretariat des Gymnasiums.