Kleiner Schritt zur gefährlichen Sucht (wlz-fz, 19.02.2013)
Theaterstück an der Edertalschule soll Jugendliche vor dem Drogenkonsum warnen
Er will ausprobieren, den Frust wegbeamen, gegen Regeln sein. Das Gehirn eines Pubertierenden ist gepolt auf Rebellion, es ist hin- und hergerissen zwischen Schein und Sein. Sich mit einer Pille in eine andere Welt zu katapultieren ist für manche reizvoll. Zunächst. Bis die Sucht kommt. Und die Zerstörung. In der Edertalschule sehen am Montagmorgen rund 250 Schüler der Jahrgangsstufen sieben und acht das Stück „Drogen – Von Gras bis Crystal“, aufgeführt von Schauspielern des Weimarer Kultur-Express. Immer mehr Jugendliche konsumieren Cannabis, laut Statistik hat in Deutschland jeder zweite Jugendliche schon einmal gekifft. Das Einstiegsalter liegt zwischen 14 und 15 Jahren – genau das Alter der Zuschauer. Für das sich noch entwickelnde Gehirn von Teenagern kann das Rauchen der Droge verhängnisvolle Folgen haben. Vom Joint zu anderen, gefährlicheren Suchtstoffen ist es nur noch ein kleiner Schritt. Genau das zeigt das gut einstündige Stück.„Wir bieten ein präventives Theater mit vorbeugender Wirkung. Wir wollen Dinge ansprechen, bevor sie Thema werden“, sagt Mathias Seredszun, der den Florian spielt. Florian und seine Freundin Anne, gespielt von Natascha Mattmüller, gehen noch zur Schule und machen erste Erfahrungen mit illegalen Drogen.
Während Anne immer noch Skrupel hat, probiert Florian alles aus. Alles beginnt mit dem vermeintlich harmlosen „Gras“, also Hanf. „Was soll daran so schlimm sein, man kann daraus Seile herstellen. Und man könnte es in der Medizin nutzen, dann machen auch die Nebenwirkungen Spaß“, erklärt Florian seiner Anne. Aus dem Spaß aber wird schnell gefährlicher Ernst, denn Florian wird zu Hause geschlagen und fühlt sich zusehends nutzlos. Er läuft von zu Hause weg und richtet sich in einer alten Hütte ein. Bald kann er seinen Drogenkonsum nicht mehr kontrollieren. Als er schlussendlich auf die Synthetikdroge Crystal umsteigt, stellen sich die Folgen ein: Florian baut geistig und körperlich ab, er wird aggressiv, auch gegen seine Freundin Anne, die immer noch zu ihm hält. Der für einen Süchtigen typische Verlauf, mit den Drogen aufhören zu wollen, aber es nicht zu können, führt schließlich zur Katastrophe: „Nur noch einmal, dann höre ich auf“, sagt der nicht mehr zurechnungsfähige Junge – und stirbt wenig später vor den Augen seiner fassungslosen Freundin. Die Schüler sind ergriffen von dem Stück – weil aber die meisten von ihnen nach eigenen Angaben bisher keinen Kontakt zu Drogen hatten, scheint das Thema noch weit weg zu sein. „Ein paar Kinder haben aber schon Zigaretten und Energydrinks ausprobiert“, erklärt ein Schüler aus der siebten Klasse. Da die Kinder in der anschließenden Diskussionsrunde nur wenig Fragen an die beiden Schauspieler stellen, geben diese viele Hinweise zum Umgang mit Sucht – zum Beispiel, wie die Kinder reagieren sollen, wenn ihnen auffällt, dass jemand Drogen zu nehmen scheint. Es ist bewundernswert, auf welch authentische Weise die beiden Schauspieler den Jugendlichen das Thema „Drogen“ nähergebracht haben – und das auf hohem Niveau. Der Weimarer Kultur-Express ist ein freies Jugend-Theater im Tournee-Betrieb. Gegründet im Jahr 2000, ist es seit 2003 im ganzen Bundesgebiet unterwegs, um Jugendlichen im Alter zwischen zwölf und 16 Unterstützung zu geben, die sowohl im familiären als auch im gesellschaftlichen Bereich unerlässlich ist. Es bezeichnet seine Spielweise als „präventives Theater“, denn es greift Themen auf, die gerade für Jugendliche besonders brisant sind: zum Beispiel Magersucht, Drogen-missbrauch, Mobbing, Auslän-derfeindlichkeit, Behinderung, Internetsucht, Alkoholsucht oder häusliche Gewalt. Aus der Sicht der Jugendlichen dramatisch und abschreckend dargestellt, bietet das Theater behutsam Lösungsvorschläge. Die Theatergruppe war vor einigen Jahren schon einmal mit einem Stück zum Thema „Bulimie“ an der Edertalschule zu Gast, insgesamt vier Jahrgänge haben das Stück gesehen. „Die Art und Weise, wie den Schülern das Thema ‚Essstörungen‘ vermittelt wurde, hat uns sehr beeindruckt“, so Arno Jacobsen, Lehrer an der ETS. Daher haben er und seine Kollegin Silke Debelius erneut ein Theaterstück gebucht. Das Thema „Drogen“ steht für die siebten und achten Klassen auf dem Lehrplan und ist somit eine eindrucksvolle Ergänzung für den Unterricht.